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Neue Rechtsprechung

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06.05.2025

Gericht spricht AfD-Mitgliedern waffenrechtliche Erlaubnisse zu


Besprechung zweier Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 30.04.2025 (Az. 20 B 948/24 und 20 A 1506/24)


Im Spannungsfeld zwischen politischer Betätigung und waffenrechtlicher Zuverlässigkeit hat sich eine neue Wegmarke herausgebildet. Nachdem das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Urteilen vom 19. Juni 2024 (Az. 22 K 4836/23 und 22 K 4909/23) und vom 24.06.2024 (Az. 22 K 6153/23) die bloße Mitgliedschaft in der AfD als ausreichend für eine Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG gewertet hatte, ist nun das Oberverwaltungsgericht Münster eingeschritten – und hat die Entscheidungen vom 19. Juni 2024 und vom 24.06.2025 korrigiert. Doch nur wenige Tage später folgt die nächste Zäsur: Die AfD-Bundespartei wird seit dem 2. Mai 2025 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft.


Rückblick: VG Düsseldorf – Verdachtsfall reicht aus


Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied in den oben genannten Fällen, dass bereits die Mitgliedschaft in einer als „Verdachtsfall“ eingestuften Partei (damals: AfD NRW bzw. Bundespartei) die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b WaffG auslöst. Die Urteile begründen dies damit, dass bereits eine Verdachtslage ausreiche, wenn sie auf Erkenntnissen des Bundesamts für Verfassungsschutz fuße. Eine individuelle Gefährdung oder konkrete Aktivitäten des Betroffenen innerhalb der Partei hielten die Richter nicht für erforderlich.


OVG Münster: Verdachtsfall allein genügt nicht – Differenzierung zwingend


Das OVG Münster hat mit zwei Beschluss vom 30. April 2025 (Az. 20 B 948/24 und 20 A 1506/24) diese pauschalen Bewertungen ausdrücklich verworfen. Es hob die Entscheidungen des VG Düsseldorf auf und stellte klar:

Eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit kann nicht allein auf die Mitgliedschaft in einer Partei gestützt werden, die vom Verfassungsschutz lediglich als Verdachtsfall eingestuft ist.


Die zentralen Argumente des OVG sind:


  1. Fehlende „gesicherte Erkenntnisse“ genügen nicht:
    Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG verlangt, dass „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, die Person sei in den letzten fünf Jahren Mitglied einer Vereinigung gewesen oder habe eine solche unterstützt, die ihrerseits in dieser Zeit nachweislich eine der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a WaffG genannten Bestrebungen verfolgt hat. Dabei genügt es nicht, wenn die Organisation lediglich als „Verdachtsfall“ vom Verfassungsschutz eingestuft wurde. Nach zutreffender Auffassung des OVG Münster reicht eine solche Einstufung gerade nicht aus, da sie gerade keinen gesicherten Tatsachenkern bildet, sondern lediglich auf einer vorläufigen Bewertung beruht. Die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Organisation müssen vielmehr mit der erforderlichen Deutlichkeit für die zuständige Behörde und im Streitfall für das Gericht feststehen. Nur dann kann die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung als Grundlage für die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit dienen.
  2. Rechtsstaatlicher Maßstab – Differenzierung notwendig:
    Das Gericht betont den verfassungsrechtlichen Schutz der Vereinigungsfreiheit und politischen Betätigung (Art. 9 und 21 GG). Der Staat dürfe diese Grundrechte nicht durch pauschale Rückschlüsse auf eine etwaige Verfassungsfeindlichkeit aushöhlen. Eine bloße Parteimitgliedschaft – selbst in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Partei – reiche nicht aus, um einem Bürger das waffenrechtliche Vertrauen abzusprechen. Vielmehr sei stets im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die betroffene Person tatsächlich selbst extremistische Bestrebungen unterstützt oder sich aktiv daran beteiligt.
  3. Keine Umkehrung der Beweislast:
    Ein zentrales rechtsstaatliches Argument des Gerichts betrifft die Beweislastverteilung: Der Staat muss im verwaltungsrechtlichen Verfahren die Voraussetzungen für eine behördliche Maßnahme – hier die Annahme der Unzuverlässigkeit – darlegen und beweisen. Würde man bereits beim Verdachtsfall die Regelvermutung greifen lassen, müsste sich der Betroffene faktisch entlasten, also seine Verfassungstreue beweisen. Eine solche Beweislastumkehr widerspricht dem rechtsstaatlichen Grundprinzip, wonach der Staat alle belastenden Tatsachen selbst beweisen muss. Die Behörde kann sich nicht auf einen bloßen Verdacht zurückziehen und dem Betroffenen die Last der Widerlegung aufbürden.
  4. Abgrenzung zur gesicherten Extremismus-Einstufung:
    Das OVG Münster zieht eine scharfe Grenze zwischen der Einstufung als „Verdachtsfall“ und der Bewertung als „gesichert extremistische Bestrebung“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Nur im letztgenannten Fall – also wenn eine Organisation nachweislich und durch gesicherte Erkenntnisse verfassungsfeindlich ist – könne die waffenrechtliche Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG überhaupt greifen. Nur dann ist auch eine auf objektiv überprüfbaren Tatsachen gegründete Annahme im Sinne des Gesetzes möglich. Im Fall eines bloßen Verdachts sei die Regelvermutung nicht anwendbar.
  5. Ermessensbindung bei Regelvermutung nicht schematisch:
    Auch im Fall einer formal greifenden Regelvermutung – etwa bei einer als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuften Organisation – fordert das OVG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall. Die Behörde dürfe nicht schematisch die waffenrechtliche Zuverlässigkeit verneinen.  Der Ausschluss der Zuverlässigkeit sei nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte für ein Unterstützen verfassungsfeindlicher Strukturen vorlägen. Beispiel hierfür ist, wenn der Betroffene etwa durch sein Verhalten – etwa durch Funktionsträgerschaften, aktive Mitwirkung, öffentliche Äußerungen oder anderweitige Unterstützung – tatsächlich Anlass zu waffenrechtlichen Bedenken gegeben hat. Pauschale Verbote seien mit den Grundrechten nicht vereinbar.


Neue Entwicklung: AfD jetzt „gesichert rechtsextremistisch“


Nur zwei Tage später, am 2. Mai 2025, informierte das Bundesamt für Verfassungsschutz, dass es die AfD-Bundespartei nun als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ einstuft.


In der Pressemitteilung heißt es, die Anhaltspunkte hätten sich „verdichtet“. Die Partei richte sich nach Einschätzung der Behörde erwiesenermaßen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Grundlage sei ein mehr als 1.000 Seiten umfassendes Gutachten, das insbesondere Verstöße gegen das Menschenwürdeprinzip, den demokratischen Rechtsstaat und die Gleichheit vor dem Gesetz dokumentiere.


Damit endet die bisherige Einstufung als „Verdachtsfall“ der Bundespartei. Die rechtliche Tragweite dieser Bewertung ist erheblich – auch für das Waffenrecht.


Waffenrechtliche Konsequenz: Rückkehr zur Regelvermutung?


5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b WaffG sieht vor, dass bei Mitgliedern von Vereinigungen, die Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG verfolgen, die Unzuverlässigkeit vermutet wird, sofern die Mitgliedschaft Tatsachen zufolge gegeben ist.

Mit der neuen Bewertung durch den Verfassungsschutz könnte die AfD nun als eine solche Organisation gelten. Die Regelvermutung greift also, sofern die Parteimitgliedschaft nachgewiesen ist – und keine Umstände vorliegen, die den Einzelfall aus der Regel herausheben.


Das OVG Münster hat in seinen Entscheidungen deutlich gemacht, dass selbst bei einer „gesicherten extremistischen Bestrebung“ nicht automatisch jede Mitgliedschaft zur Unzuverlässigkeit führt. Vielmehr sei Raum für eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung, insbesondere dann, wenn sich der Betroffene innerhalb der Partei von extremistischen Tendenzen distanziert habe oder keinerlei aktive Beteiligung festzustellen sei.


Keine Entwarnung, aber auch kein Automatismus


Die Waffenbehörden werden die neue Lage zweifellos aufgreifen. Wer der AfD angehört – sei es passiv oder aktiv –, muss künftig mit intensiveren waffenrechtlichen Überprüfungen und möglicherweise dem Entzug von Erlaubnissen rechnen.

Entscheidend bleibt aber: Nicht jede Mitgliedschaft führt zwangsläufig zum Verlust der Zuverlässigkeit. Es bleibt eine Einzelfallentscheidung – auch wenn die rechtlichen Hürden für eine positive Prognose nun erheblich gestiegen sind.


Fazit


Die Entscheidungen des OVG Münster haben dem juristisch motivierten Automatismus einen Riegel vorgeschoben und verfassungsrechtlich gebotene Differenzierung eingefordert. Doch mit der Neubewertung der AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ durch den Verfassungsschutz hat sich die Ausgangslage dramatisch verändert.


Die Waffenbehörden stehen vor einer neuen Bewertungslage, in der nunmehr die Regelvermutung wieder an Bedeutung gewinnt. Für Betroffene bedeutet das: Wer Mitglied der AfD ist, muss künftig aktiv darlegen, warum er trotz dieser Zugehörigkeit waffenrechtlich zuverlässig sein soll.


Die Rechtsprechung ist aufgerufen, die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit neu auszutarieren – der 3. Akt hat gerade erst begonnen und die weitere Entwicklung bleibt rechtlich wie politisch brisant.


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26.08.2024

Sind Parteimitgliedschaften und Gesellschafterstellungen schädlich für die waffenrechtliche Zuverlässigkeit?


Besprechung der Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Urt. v. 19.06.2024 – 22 K 4836/23 und 22 K 4909/23) und des Verwaltungsgerichts Köln (Beschl. v. 09.08.2024 - 20 L1131/2024)


In den letzten Tagen und Wochen haben unterschiedliche Verwaltungsgerichte mehrere Entscheidungen zum Thema waffenrechtliche Zuverlässigkeit getroffen. Da sind einerseits die Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorfs (Urt. v. 19.06.2024 – 22 K 4836/23 und 22 K 4909/23), die AfD-Mitglieder als generell unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts ansehen und andererseits das Verwaltungsgericht Köln (Beschl. v. 09.08.2024 - 20 L1131/2024), dass einem früheren Gesellschafter des Compact-Magazin GmbH, dass seit Juli 2021 vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, die Zuverlässigkeit im Sinne des Waffenrechts abspricht. Ob diese Rechtsansichten tragbar sind, erklärt unser Waffenrechtsexperte Roberto G. Ruscica.

 

Um in Deutschland eine Waffe zu besitzen, muss man eine entsprechende Erlaubnis nach dem Waffengesetz haben. Die Voraussetzungen für eine Erlaubnis werden in § 4 WaffG genau definiert. In den vorliegenden Entscheidungen wurde die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG verneint, sodass die Widerrufe der zuständigen Waffenbehörden rechtens waren. Begründet wurde die fehlende Zuverlässigkeit der Waffenscheininhaber dadurch, dass die Kläger AfD-Mitglieder oder Gesellschafter waren.

 

Im Zuge der zunehmend wahrgenommen Radikalisierung einiger Randparteien und dessen Erstarkens stellt sich immer häufiger die Frage, wie das Verhältnis von (Partei-)Mitgliedschaft und waffenrechtliche Zuverlässigkeit zueinanderstehen. Hierbei bewegen wir uns nicht in einem luftleeren Raum, sondern es bedarf eines Blickes in das Waffengesetz.

 

Regelunzuverlässigkeit bei Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Vereinigungen

 

Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b WaffG besitzen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn bei ihnen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt haben. Mit dem Begriff „solche Bestrebungen“ sind nach dem Waffengesetz Bestrebungen gemeint, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete sind, vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) aa)-cc) WaffG. Oder in anderen Worten: verfassungsfeindliche Bestrebungen.

 

Im Ergebnis bedeutet dies, dass (vormalige) Mitglieder einer verfassungsfeindlichen Vereinigung nach Ansicht des Waffengesetzes in der Regel als waffenrechtlich unzuverlässig gelten. Somit genügt bereits die bloße, nicht notwendigerweise aktive, Mitgliedschaft in einer als verfassungsfeindlich eingestuften Vereinigung, um waffenrechtlich Regelunzuverlässig zu sein. Der tatsachenbegründete Verdacht ergibt sich allein auf die Mitgliedschaft in einer dieser Vereinigungen. Es ist gerade nicht notwendig, dass das einzelne Mitglied die Bestrebungen der Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) aa) bis cc) WaffG verfolgt oder verfolgt hat. Durch den klaren Gesetzeswortlaut ergeben sich jedoch mehrere grundlegende Fragen.

 

Parteiverbotsverfahren nur beim Bundesverfassungsgericht 

 

Auf Seite 36 der Gesetzesbegründung (Drucksachen 19/15875) sieht der Gesetzgeber dem Begriff der „Vereinigung“ als Oberbegriff, der sowohl Vereine im Sinne des Vereins- als auch Parteien im Sinne des Parteiengesetzes umfasst. Dadurch ergibt sich eine Kompetenzaufspaltung. Im Hinblick auf Parteien besteht die ausschließliche Zuständigkeit beim Bundesverfassungsgericht. Nur dieses Gericht kann die Verfassungswidrigkeit einer Partei feststellen. Bei Vereinen im Sinne des Vereinsgesetz ist hingegen das Bundesinnenministerium zuständig, das Vereine, wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen, verbieten darf.

 

In beiden Fällen hat der Verfassungsschutz eine entscheidende Bedeutung. Der Verfassungsschutz hat im Vorfeld eines möglichen Partei- oder Vereinsverbotsverfahren die entsprechende Vereinigung zu beobachten und sie bei Vorliegen entsprechender Tatsachen als verfassungsfeindlich einzustufen. Diese Einstufung hat für die einzelnen Waffenbehörden eine Indizwirkung, da sie die Einschätzung des Verfassungsschutzes im Rahmen ihrer waffenrechtlichen Bewertung einfließen lassen müssen, vgl. § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG.

 

Dadurch ergeben sich drei Fragen: Wie ist die Einschätzung des Verfassungsschutzes im Einzelfall waffenrechtlich einzuordnen? Dies wird in der Rechtsprechung zurzeit uneinheitlich gesehen. So sieht das VG Düsseldorf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit als gegeben an, wenn die Verfassungsschutzbehörde die Einschätzung vertritt, dass eine verfassungsfeindliche Bestrebung vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof München verneint dies hingegen mit der Begründung, dass Behörden und Gerichte selbst nach den waffenrechtlichen Kriterien entscheiden müssen und „nur“ die Einschätzung des Verfassungsschutzes berücksichtigen können.

 

Gilt Vereinsrecht auch für Medienanstalten?

 

Die zweite Frage ist, ob die gesetzliche Definition der Vereinigungen, die einerseits Vereine und andererseits Parteien betrifft einschließt, auch für Presseunternehmen gilt. Dies ist im Hinblick auf den aktuellen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.08.2024 – 6 VR 1.24 wohl grundsätzlich zu bejahen, wenn in der Verbotsverfügung die Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 GG ausreichend berücksichtigt wurde. Spannender ist jedoch die Frage, ob der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages vergleichbar ist, wie mit dem Aufnahmeantrag eines Vereinsmitglieds. Diese Ansicht wäre, meiner Meinung nach, nur in speziellen Einzelfällen möglich, da eine Gesellschafterstellung im Kern eine unternehmerische Entscheidung darstellt. Jeder Leser kann sich selbst fragen, falls sie oder er in Aktien investiert, ob er exakt weiß, in welchem Tätigkeitsfeld das Unternehmen, in das investiert wurde, operiert. Hier ist meiner Meinung nach die Ansicht des VG Köln sehr weitreichend und im konkreten zwar grad noch vertretbar, im Allgemeinen jedoch so nicht übertragbar.

 

Parteiprivileg ade ?

 

Die dritte Frage die sich stellt ist, ob die Einschätzung des Verfassungsschutzes auch für politische Parteien gilt, da diese das Parteienprivileg gemäß Art. 21 Abs. 2 und Abs. 4 GG genießen. Kann die bloße Mitgliedschaft in einer vom Bundesverfassungsgericht nicht verbotenen – aber verfassungsfeindlichen – Partei genügen, um eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffengesetzes zu begründen?

 

Im Ergebnis schwierig, aber ebenfalls noch vertretbar. Auf der einen Seite herrschen in einer Partei regelmäßig Flügelkämpfe und Meinungsstreitigkeiten über den Kurs der Partei, die nicht jedes Parteimitglied vollständig vertritt, sodass eine globale Zurechnung von möglichen verfassungsfeindlichen Zielen einer Partei an sämtlichen Mitgliedern zu weitgehend erscheint. Auf der anderen Seite ist es Sinn und Zweck des Waffengesetzes die Allgemeinheit von den Gefahren, die von Waffen ausgehen, zu schützen. Um diesen grundlegenden Schutz zu gewährleisten, kann es verhältnismäßig sein, bereits die Mitgliedschaft in einer solchen Partei für eine Regelunzuverlässigkeit genügen zu lassen. Dies führt jedoch im Ergebnis zu einem – zumindest mittelbaren – Eingriff in das Parteienprivileg, da ein Teil der Sympathisanten dieser Partei von einer Mitgliedschaft absehen würden, wenn die Gefahr besteht, dass sie den Waffenschein nicht erhalten bzw. wieder verlieren. Zwar kann die Regelunzuverlässigkeit widerlegt werden, jedoch sind die Hürden, die die Rechtsprechung fordert, hoch. Das VG Düsseldorf verlangte von den Klägern „konkrete Belege für die aktive Bekämpfung verfassungsfeindlicher Tendenzen in der Partei und ihrem unmittelbaren Umfeld“. Dies war den Klägern nicht möglich.

 

Ist aber ein Verdachtsfall bereits ausreichend ?

 

Das Düsseldorfer Verfahren hat jedoch das besondere und entscheidende Merkmal. Die Bundespartei der AfD, auf die das Gericht ihre Entscheidung fußt, ist noch gar nicht als gesichert extremistisch, sondern „nur“ als sogenannter Verdachtsfall eingestuft worden. Bei einem solchen Verdachtsfall steht für den Verfassungsschutz gerade nicht fest, dass sich die Partei für die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einsetzt, sondern „nur“, dass hinreichende Anhaltspunkte bestehen, um diesen Verdacht auszulösen.

 

Aber kann bereits die Mitgliedschaft in einer Verdachtsvereinigung dazu führen, dass man automatisch waffenrechtlich Regelunzuverlässigkeit ist? Nach Ansicht des VG Düsseldorf ja, da die Formulierung „bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ im § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nicht nur die Mitgliedschaft in der Partei erfasst, sondern auch, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Partei verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt. Dadurch zieht das VG Düsseldorf – entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG – die Tatsachenannahme vor und bezieht diese sowohl auf die Mitgliedschaft als auch auf die Vereinigung selbst. Dies führt, nach Ansicht des VG Düsseldorf, zu dem Ergebnis, dass bereits eine Mitgliedschaft in einer Verdachtspartei eine waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit auslöst. Meiner Meinung nach geht diese Auslegung zu weit. Der Wortlaut der Vorschrift bezieht sich eindeutig auf die Tatsachenannahme der Mitgliedschaft in der Vereinigung. Die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Vereinigung müssen hingegen eindeutig feststehen.

 

Klare gesetzliche Regelung notwendig

 

Sollten die Behörden und die Rechtsprechung die Auslegung des VG Düsseldorf weiterverfolgen, dann wäre der Eingriff bedenklich; sowohl für das einzelne Mitglied als auch für zukünftige Parteien oder Vereine. Durch diese Ansicht würden sich die Eingriffsmöglichkeiten der Waffenbehörden massiv ausweiten. Wir würden in einem Bereich vordringen, dass bereits die (ehemalige) Mitgliedschaft in einer Partei oder Verein, der als Verdachtsfall eingestuft wird, als ausreicht angesehen wird, um einer Person die Regelunzuverlässigkeit abzusprechen. Es ist daher zwingend notwendig, dass eine eindeutige gesetzliche Regelung geschaffen wird, sollte es politisch gewollt sein, dass die Mitgliedschaft in einer Verdachtsfall zu einer Regelunzuverlässigkeit führt. Ich habe diesbezüglich, vor allem im Hinblick auf Grundrechtsverletzungen und dem Pateiprivileg, erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, dass eine solche Regelung zulässig ist.

 

Nun sind alle Blicke nach Münster gerichtet. Sollte das Oberverwaltungsgerichts Münster die Ansichten der beiden Verwaltungsgerichte bestätigen, dann würden sich weitere spannende Fragen stellen. Folgen die anderen Verwaltungsgerichte in Deutschland dieser Meinung? Was ist mit ehemaligen Mitgliedern oder Gesellschaftern, die sich noch in der fünfjährigen Rückschaufrist befinden und welche Auswirkung haben diese Entscheidungen bei Berufswaffenträger mit AfD-Mitgliedschaft? Es bleiben spannende Zeiten.


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01.09.2023

Aufbewahrung von Waffen und Waffenschrankschlüsseln


Besprechung des Urteils des OVG Münster vom 30.08.2023, Az. 20 A 2384/20


Der 30.08.2023 war für die meisten Bürgerinnen und Bürger ein Tag wie jeder andere auch; ein kühler Endsommertag. Für die fast eine Million legalen Waffenbesitzerinnen und Waffenbesitzer war er hingegen ein entscheidender Tag. Durch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 30.08.2023, Az. 20 A 2384/20) in Münster wurde eine langjährige Gesetzeslücke im Waffenrecht mit Leben gefüllt. Sie führt einerseits zu mehr Rechtssicherheit, anderseits nun auch zu strengeren Anforderungen bei der Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln.


Die aktuelle Rechtslage der Waffenaufbewahrung


Die Aufbewahrung von Schusswaffen richtet sich nach § 36 WaffG, § 13 AWaffV. In den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Waffengesetz (WaffVwV) wird der § 36 WaffG dann kleinteilig erläutert. Dadurch haben die Anwender der Vorschrift, sei es Behörden oder Waffenbesitzer, eine gewisse Richtlinie.


Aufhänger der Entscheidung des OVG Münster


Das OVG Münster hatte nicht originär über die Aufbewahrungsvorschriften zu entscheiden, sondern, ob einem Jäger aus Duisburg die waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen werden durfte. Der Grund: Unzureichende Aufbewahrung des Waffenschrankschlüssels. Der zugrundeliegende Sachverhalt ist schnell erzählt:


Während seines Urlaubs wurde beim Jäger eingebrochen und es wurde aus dem unbeschädigten Waffenschrank zwei Kurzwaffen und Munition gestohlen. Der Waffenschrank entsprach hierbei dem gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsstandard. Die Schlüssel zu diesem Waffenschrank bewahrte der Jäger in einem etwa 40 Kilogramm schweren, dick- und doppelwandigen Stahltresor mit Zahlenschloss auf. Dieser genügte aber nicht dem gesetzlichen Sicherheitsstandard für die Aufbewahrung der im Waffenschrank befindlichen Waffen und Munition. Das Polizeipräsidium Duisburg widerrief daraufhin die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Jägers. Dieser griff den Widerruf an, verlor in erster Instanz und war nun in der Berufungsinstanz erfolgreich. Nach Ansicht des OVG Münster waren die Voraussetzungen für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis nicht gegeben. Der Jäger sei trotz unsachgemäßer Verwahrung des Schlüssels waffenrechtlich nicht unzuverlässig.


Exkurs: Widerruf der Zuverlässigkeit


Die Waffenerlaubnis ist nach § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Behörde hat hierbei keinen Ermessensspielraum! Nun schauen wir, wann eine Erlaubnis zu versagen ist. § 4 WaffG definiert die Voraussetzungen für eine Erlaubnis. Eine dieser Voraussetzungen ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffenG der Besitz der erforderlichen Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen jedoch nicht, wenn bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder sie nicht sorgfältig verwahren werden, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG. Auch hier haben die Behörden grundsätzlich keinen Ermessensspielraum, da es sich nach § 5 WaffVwV um einen Fall der absoluten Unzuverlässigkeit handelt. Die Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist dabei eine auf Tatsachen gestützte Prognose über ein zukünftig spezifisch waffenrechtlich bedenkliches Verhalten.


Entscheidung des OVG Münster


Das OVG Münster hat die Zukunftsprognose jedoch anders als das Polizeipräsidium eingeschätzt. Nach Ansicht des OVG Münsters hat der Jäger „in der Vergangenheit objektiv gegen die gesetzlichen Anforderungen an einer sorgfältigen Aufbewahrung von Waffen und Munition verstoßen, indem er die Schlüssel zum Waffenschrank in einem Tresor mit einem unzureichenden Sicherheitsstandard aufbewahrt hat.“ Und nun der entscheidende Satz: „Denn die Schlüssel zu einem Waffenschrank sind in einem Behältnis aufzubewahren, das seinerseits den gesetzlichen Sicherheitsstandards an die Aufbewahrung der im Waffenschrank befindlichen Waffen und Munition entspricht.“ Dem genügte der Tresor des Jägers nicht.


Fehlende Vorgaben der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung


Dieser objektive Sorgfaltsverstoß rechtfertigt aber ausnahmsweise keine Unzuverlässigkeitsprognose, so das OVG Münster. Dem juristischen Laien muss sich nicht aufdrängen, dass der Aufbewahrungsort des Waffenschrankschlüssels den gleichen Sicherheitsstandard entsprechen muss, wie der Schrank, der durch den entsprechenden Schlüssel geöffnet wird. Das OVG Münster kann sich hierbei auch eine Spitze an den Gesetzgeber nicht verkneifen, mit dem Hinweis, dass es lebensfremd sei, dass ein Waffenbesitzer stets die tatsächliche Gewalt über die Schlüssel ausüben kann. Dieser Einwand ist mehr als berechtigt, da der Gesetzgeber, trotz einer Vielzahl an Hinweisen in der WaffVwV, einen Hinweis, wie der Schlüssel zu einem solchen Behältnis aufzubewahren ist, missen lässt. Ebenso sei das Urteil des OVG Münster das erste, das sich mit einer solchen Problematik beschäftigt. Daher waren bis dahin keine Vorgaben der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gegeben, an denen sich Waffenbesitzer „hätten orientieren können und müssen“. Im Übrigen hat der betroffene Jäger mit dem 40 kg Stahltresor Vorkehrungen getroffen, die geeignet gewesen sind, einen Zugriff durch unbefugte Dritte zu verhindern, jedenfalls nicht unerheblich zu erschweren. Daher ist ein gröblicher Verstoß gegen waffengesetzliche Bestimmungen nicht anzunehmen.


Konsequenzen aus dem Urteil und Handlungsempfehlungen


Das Urteil des OVG Münsters ist stringent und in sich stimmig. Es gibt allen Waffenbesitzern Rahmenbedienungen hinsichtlich der Aufbewahrung von Waffen. Nun ist klar, dass alle Tresorschlüssel nicht mehr unterm Bett, im Nachtschrank oder in einer Schublade versteckt werden dürfen. Die Schlüssel müssen so, wie dessen Inhalt geschützt werden, d.h. der Schlüssel eines WI-Schranks mit sechs Kurzwaffen darf nicht in einem W0-Schrank unter 200 kg ohne Verankerung gelagert werden. Das Urteil lässt jedoch aber auch Fragen offen. Wie ist es bei Grenzfällen? Wenn es im obigen Beispiel keine sechs, sondern nur zwei oder drei Kurzwaffen sind. Reicht dann ein W0-Schrank zur Aufbewahrung? Und wie ist es bei den Schränken, die noch Bestandsschutz genießen. Darf ich einen Tresorschlüssel eines WI-Schrankes in einem A- oder B-Schrank lagern? Eine klare Aussage findet man zurzeit leider nicht.


Nach meiner Einschätzung sollte man den Schlüssel stets so sichern, als ob die zu schützenden Dinge sich selbst im Tresor befinden. Die absolute Sicherheit gibt jedoch bloß die Lagerung in einen identischen Schrank; oder ein Tresor ohne Schlüssel, jedoch mit Zahlenschloss. Wobei ich Ihnen den Beschluss des VGH München vom 20.04.2023 – 24 CS 23.495 nicht verschweigen möchte. Sorgfaltswidrig und in der Konsequenz unzuverlässig ist man bereits dann, wenn das eigene unveränderte Geburtsdatum oder des eines anderen Haushaltsangehörigen als Zahlenkombination für einen Waffenschrank verwendet wird, auch wenn alle Mitglieder der häuslichen Gemeinschaft auf den Waffenschrank zugreifen dürfen.


Im Ergebnis ist zu sagen, dass dieses Urteil helfen wird, das Waffenrecht in Deutschland auszulegen und Unsicherheiten verringert. Es beschreibt die Voraussetzungen an die Aufbewahrung von Schlüsseln für Waffenschränke und zeigt auf, dass bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers die Gesamtumstände in Blick genommen werden müssen. Auf was Sie sich jedoch nicht mehr berufen dürfen, ist, dass Sie nicht wussten, wie man den Schrankschlüssel aufbewahren musste. Denn nun existieren die Vorgaben der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und diese müssen, durch uns Waffenbesitzerinnen und Waffenbesitzer, beachtet werden.


Zur Pressemitteilung des OVG Münster 

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